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Jahresprogramm

01.01.70
01:00
Reisen - Gedichte

sjaeland 87


vor der dämmerung
die krähen
mühen sich
windwärts

strandentwordenes
unter strahlig gewölkten
weiten

rot der stein
sein blick
bannt die stunde
die sehnsucht zieht
die grenze
zwischen blau
und blau

himmelsspuren
erfüllungsfern
zergittern
helle horizonte

grauschnabel
teile den wind


Norwegen 09


Das Licht
Fliesst aus
Der Kälte
Des Nordens
Bricht aus der
Fremde des
Nordens
Strahlt aus der
Leere des
Nordens
Zwischen den
Granitgewaschenen
Erstarrungen
Warme Fjorde

Gute Hände


Grosser Basar 2001

Wie kann ich den Effendi rupfen?
Verkauf ich ihm ein Hemd mit Tupfen?
Vielleicht mag er mehr alte Bücher?
Oder aus Smyrna Seidentücher?

Ich habs er will den Samowar!
500% sind sonneklar!
Das ist genau was er jetzt sucht –
Und außerdem - er ist betucht.

Ich sehs an seinem Lederschuh
Kommt aus Paris, heißt „Manitou“
Und einen Teppich nimmt er auch-
So etwas spüre ich im Bauch.

Servier ich süssen Apfeltee
Und rennt dazu mein Türkenschmäh,
ist der Effendi sehr bald weich
und ich, ich bin und bleibe reich.

Spricht er Deutsch und ist er bärtig
Ist der Deal in kürze fertig
Denn die Paschas aus Berlin
Sehn im Handeln keinen Sinn.

Kommt ein Gentleman daher
Steif wie Schlagschnee, seelisch schwer,
schimpf ich Franzosen und Iraker
solche Reden glaub’ ich, mag er.

Die Franzosen lieb ich sehr,
kaufen gerne und auch mehr.
Handeln jedoch tun sie nur
Wie am Place de Glignancourt.

Steht ein Schweizer vor dem Laden
Schenk ich ihm den Dönerfladen.
Sprech ich langsam und betont,
denn ich weiss, dass sich das lohnt.

Kommt ein Mann aus Österreich
Werde ich auf Nase bleich
Preise werden gleich verzehnrfacht
Dann die Hälfte: top- gemacht.

So handle ich mit der EU
Ich brauche wirklich nicht dazu,
es sieht doch jedes dumme Ei
ich bin schon ewig mit dabei.


prag 1993


beklommen schleiche ich
zwischen den hörnern des teyn
und dem karlssund hin und her

unter dem böhmischen pflaster
leuchtet da und dort
unter den bisonhufen
der touristenhorden
gold & glimmer

gleichwertig

vermeine ich wittre ich
hinter dunstigen bierhöhlen
hinter schwarzgotischen speluncken
hinter talmudischen uhrmacherläden
hinter faustens studierstube
alles auf einer alten k&k ansichtskarte
angeschwemmt im moldauschlamm
jenen glanz hinterm dunkel
der unverlöschlich
aus der tür des gesetzes bricht
schwere türe des teyn
geschlossen bis drei

also dann in die höhle des fleck
an deren gerstengelben wänden
die schatten souveräner kellner tanzen
bevor der brombeerluftstrom
diese grotte a priori ausfüllt

die ich bin

zum glänzen bestimmt
vom doldnen glimmer
derweilen stalins waisenkinder
beim heiligen nepomuk giftigen malassol
am altstätter ring uhren
der sagenumwobenen roten armee
Matroschkas Matroschkkas Matroschkas
goldrotgrünwangig ewigdümmlich grinsend
wie frau lisa anderswo
verhökern verschachern versilbern
vergolden
an den jovialen herrn
mit dem k&k hippiebart




den verkleideten galizischen juden ginsberg
kaiserlicher rat für tschechische angelegenheiten
daher ein bouzerant
der uns hinaus begleitet nach zizkov
zum grab des blassen juden leverkühn
dem echten aus dem echten kaisersaschern
der wußte mit wem er den bund schloss
im schatten der hörner des teyn
schweratmend sah ich ihn
nahe den graniten
der rosenfelds kitzmanovs pribrams
deren holografische repost
gegen das schloß
noch geführt werden wird
um herrn k zu retten
vor dem standgericht
um gregors antidots willen
welches ich hier literweise atme
bevor ich heimgeh

zu meinem böhmischen
deutschen jüdischen
österreichischen chet baker
in die spätkommunistische hinterhofhöhle
versinkend
in traumlosigkeit



NY 09

Ellis Island, winzig
Mächtige Freiheit
Statische Statue
Der widerwillig bezahlte
Betonsockel auf
Indianischem Granit.
Zurück in Manhattan Downtown
Dort hastet der freie Mr. Beanstock
Aus der Subwaystation
in den 22. Stock des freien
Wolkenkratzers. Über ihn sind noch
13 Stockwerke freie Schwerkraft
Freier Mr. Beanstock setzt sich an den freien PC
Zehn Stunden freie Arbeit
Für frank und freie $ 2.121,66 im Monat
Dazwischen der freie Kaffe und
Der freie Lunch im freien McDonalds
Und dann in die überfüllte
Doch freie Subway ins
Freie Brooklyn gehastet
in sein freies Haus mit $ 72.982.12
freier Hypotheken belastet, die ihm
die freie ASS Bank gewährt.
Freie 877,28 monatlich zahlt er zurück.
Frei erlebt er seinen Hunger
Frei erlebt er seinen Durst
Frei sein Bedürfnis nach Sex

Ich hingegen wandere frei nach Harlem
Höre wild bewegt Schwarzafrikaner über Christus performen
Verharre andächtig vor dem Olympia
Durchmesse neidvoll den Campus der Columbia University
Betrachte klammschaurigen Herzens die Kirche des H.P. Lovecraft
Offiziell St. John The Divine aber in Wirklichkeit dem Chtullu Kult geweiht
Betrete den zentralen Park unter verhangenen rotblühenden unbekannten Bäumen
Trauere in den Strawberry Fields
Erschauere vor der wilden Rosemaries Baby Burg
Schwenke Richtung Hudson zur heimatlichen Met und lese
Otto Schenk Otto Schenk Otto Schenk
Suche und finde ein Zentrum der Welt die Julliard School
In dieser an freien Weltzentren reichen Stadt
Und lasse mich dadurch inspirieren
Zu einem Besuch im Village
Im Blue Note

Heute kein Free Jazz.


pamphylien


aus dem kapitalistischen tollwutbezirk
auf einem fliegenden second hand teppich
marke hapag lloyd, der deutschen überallesfabrik
aufgetaucht aus wiener ankerbrotnebel
ins meer im jänner.

gulet gulet kinderlach
den vom winter bis zum frieling
isa katzensprung

türken und deutsche eine alte
bierbruderschaft nicht gerade
sondern ehre wem ehre gebührt

wie wandelt sichs auf ala ed dins firnfeldern
kuppeln des taurus auf denen auch heute noch
unberührt die götter wohnen.

wie wandelt sichs in den hainen
zwischen perge und aspendos
wenn nach staubigstem weg das bad wartet

baden im meer baden in trajans guten stuben
baden im türkischen bad aus finnischem saunaholz
abwaschen die tyriaden türkischer verkaufskunst
verscherbelnd die produktivkräfte der vielvökernden
abwaschen das blut von marsyas
dem kein tiermenschenschutzverein je zur hilfe eilte,
hilfe eilen wird.

abwaschen den talmiglanz
der civitas dei der islamisten aus den
kargen ewigen steppen ignorantistans

madonna hat sich den tschador unter
den stechenden blick gehängt
und verkauft da wie dort ihr silikon valley

auch das fast essen genannte mac speck dreck
und du bist weg zeugs um zwei tageslöhne
des hadji mehmed falkenauge wird

das öcaland nicht wirklich verwestlichen
das macht erkan und selcuk und mustafa
gemeinsam mit asya und suleika und aisha
die auf das setzen was ihre erzfeinde
urin nennen – eben auf unser aller einheit
in frankfurts namen
die bussibären und bärinnen von heute
ecevits, cillers und andere al capones
verkaufen silber, teppiche, gold und menschenkraft
wie keiner vor ihnen – schon gar nicht
mehmet weder der eroberer noch der falke

aber wir sind mit den kindern
und ihren hollywoodträumen
über den apokryphen des kai kobad
und dem paulus‘schen auschlußprinzip
der pax romana
über dem roten fels.


kailash 2003


yaktroddeln verlieren fransen
wegekostenrechnungen bläst der wind davon
die nichts- die niemandrose
diesmal im gebet der karmaflüchtigen
bauen sich ein haus in den wolken
bewohnt von goldenen bodhisatthwas
während mönche verrosten
gesotten werden
chop shui mit szechuan pfeffer
eingelegt in ein gurkenglas
voll dialektischen kapitalismus’
aufgehoben von der kora
aufgehoben im ewigen tantra
aufgehoben in den gedichten
von ginsberg und ferlinghetti
türkisketten spannen sich vor
dem pass der mildtätigen dölma
eastern road movies beginnen
immer mit einem sandsturm
ein lobtrug im glück tauscht
sein letztes tsampa gegen einen big mac
und glaubt an die wahrheit
und glaubt an die klarheit

klar sind die wasser des manasarovar
klar sind die schneefelder der gurla
klar ist der glanz des kailash

gna nirvana yin


Sonntag in Berlin


Heut hat die Stadt wohl Sommersprossen
Zumindest hier auf Prenzlaus Berg
Wo einmal die Parteigenossen
Sich setzten auf das falsche Pferd

Der große Turm wirft spitzen Schatten
Die Currywurst im Ketchuprot
Ein Kirchenchor auf grünen Matten
Ein alter Sandler stellt sich tot

Touristen tuckern durch Kanäle
Der Dom steht deutsch und feierlich
Es ziehn sich durch Konzerthaussäle
Viel frische Düfte – säuerlich

So sonnig aufgebahrt das Ganze
Die Kinderwäg’n im Parkorbit
Ein goldnes Staubteilchengetanze.
Die Väter wandern schattig mit.

Dort blüht ein Flohmarkt, leichte Güter,
Gitarren fleh’n um milde Gaben
Am Kuhdamm olle Ladenhüter
In Dahlem sieht man erste Raben.

Der Weg führt schlendernd durch die Orte
Der Wind hat merklich aufgefrischt
Man sucht beim Bier die eigne Sorte
Die Stadt hat eilig aufgetischt.

So endet man in einem Garten
Septemberabend, aufgehellt.
Muss lange auf sein Labsaal warten -
Man ist dem Horizont vermählt.


teneriffa 08

da bin ich nicht
da war ich nicht
da werde ich nie sein

kaum kompassfähig
atlantischer erguss
hineinragend in eine
primzahllandschaft

bibeln verglühen
In der allfarbigkeit des steins
anbricht der kurze morgen
anbricht die unerbittlichkeit des ozeans
anbricht die herde der lemminge
füllend myriaden blauer liegestühle

und bevor die samtenen bibeln
im känozoikum verglühen
treibt eine feuerfeder
eine schmerzende schrift
in meine elfenbeinstirn


KARPATHOS



norden die steine
süden das meer
westen der wind
osten


der wind trägt die sterne in den nüstern
oktoberdisteln: die flammenschwerter
vor einem schlangenparadies
esel dein durstiger schrei

braune menschenleere augen
sehen in unantastbare weiten
der trank trübt
der würfel fällt auf altes holz

ostischer touristenkapitalismus
patschachterhaft
lustiger popengreißler
kleine verschrumpelte feige

spärliches weiß im grünblau und braun
leere windmühlen bieten die stirne
dem nichts kein klang
durch und durch und durch und durch


norden die steine
süden das meer
westen der wind
osten


weana kuchlkollonialismus



a echta weana
dea mechd in budapest
a halaszle hawan

auf da szigmondy hidn
beschtödasi oisa
ogschwizda
a basta und an hoiwn
grauvernatsch

beim fleck schpüd a de boa dobinki
med fünf sex biwo owe

zu seine tschewaln
pokta a floschn plawatsch
auf da insl
krk


Himalaya 08


Wegstein wohin
Nichts im Alles der Gipfel
Barfüßige Lasten
Auf den Lotosjuwelen
Widnissumfangene Geborgenheit
Tod zerglänzt
Trotz durstiger Alveolen
Nach vielen Leben
Einzige Bardo - Heimat
Kreuze verdämmern
Weit westwärts
Im Schritt
Gleichmut